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Demografische Basisdaten

Das Gemeindenetzwerk DABEI („Dettinger aktive Bürger ergreifen Initiative“) hat im Rahmen einer Bürgerversammlung am 05. Oktober 2004 anhand einer Momentaufnahme der Dettinger Bevölkerungsstruktur eindrucksvoll das Kernproblem der demografischen Entwicklung für Dettingen dargestellt: Immer weniger junge Menschen sind für immer mehr ältere Menschen verantwortlich.

Jeder einzelne Karton der selbst gestalteten Alterspyramide stellte etwa 100 der damals 5.500 Einwohner dar. Die Zahlen auf den Kartons standen für das Einstiegsalter des Lebensjahrzehnts, in dem sich diese 100 Dettinger jeweils befanden. Deutlich wurde, dass die Pyramide bereits jetzt von den Jüngeren schon nicht mehr zu schultern ist. Zwei Bretter mussten als Stütze eingebaut werden – unser heutiges „Sozialsystem“. Plastisch vor Augen geführt wurde bei der Bürgerversammlung auch die Folge des Wegfalls dieser Stützen: die Kartonwand fiel in sich zusammen – die Dettinger  „Alterspyramide“ war nicht mehr zu halten.
Da aufgrund der Vorausberechnungen des Statistischen Landesamtes zu erwarten ist, dass die Anzahl der jüngeren Mitbürger in Dettingen Jahr um Jahr weiter abnehmen bzw. die Zahl der älteren Mitbürger deutlich zunehmen wird und auch die Sozialleistungen geringer werden, ist die Prognose der Bürgerversammlung nicht von der Hand zu weisen. Das heißt aber auch, dass diese Entwicklung nicht erst in 50 Jahren zu Problemen führen wird, sondern bereits in den nächsten Jahrzehnten eine Herausforderung für Dettingen darstellt.
Die Prognosen des Statistischen Landesamtes weisen bis ins Jahr 2020 eine gravierende Veränderung in der demografischen Entwicklung auch für Dettingen aus: Während der Anteil der unter 15-Jährigen von derzeit 15,62 % auf 13,53 % sinkt (-2,1 %), steigt der Anteil der über 65-Jährigen von derzeit 19,47 % auf 24,15 % (+4,68 %). Dies bedeutet, dass die Einwohnerzahl abnehmen wird, gleichzeitig aber immer weniger jüngere für immer mehr ältere Mitbürger verantwortlich sein werden.

Ein abschließender Vergleich von Land, Landkreis und Gemeinde zeigt deutlich, dass die demografische Veränderung bei gleichzeitiger Abnahme der Einwohnerzahlen auf allen Ebenen gleichermaßen tiefgreifende Veränderungen bewirken wird.

Familienstand

Im Südwesten leben rund 2,2 Millionen über 60-Jährige. Mit etwa 61 % lebt die Mehrheit von ihnen mit dem Ehepartner zusammen. In den meisten dieser Familien haben die Kinder das Elternhaus verlassen. Die zweithäufigste Lebensform unter den älteren Personen bilden mit knapp 29 % die alleinstehenden Seniorinnen, die zumeist auch allein im Haushalt leben. Bei den Männern ist es eher selten, dass sie allein leben. Die meisten von ihnen leben mit einem Partner. Nur 7 % sind alleinstehend ohne Partner.
Andere Lebensformen werden im Gegensatz zu den jüngeren Generationen von den Senioren und Seniorinnen bislang kaum gelebt. Nur 1,2 % von ihnen wohnt nichtehelich mit einem Partner zusammen, was allerdings vor 30 Jahren so gut wie gar nicht vorkam.
Was für das Land Baden-Württemberg gilt, spiegelt sich auch in der nachfolgenden Tabelle für Dettingen wider: Der Großteil der Älteren lebt mit dem Ehepartner zusammen, wobei mit ansteigendem Alter die Anzahl alleinlebender Frauen steigt.
Dies ist darauf zurückzuführen, dass Frauen eine höhere Lebenserwartung haben und damit folglich auch ein höheres Risiko zu verwitwen.

Quelle: Melderegister (Stand 24.04.2006)

Ersichtlich wird also, dass das Thema des Alleinlebens, das insbesondere im hohen Alter Versorgungs- und Pflegerisiken birgt, auch in Dettingen ein Thema von bzw. für Frauen ist.

Finanzielle Lage

Wie das Statistische Landesamt im Rahmen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS)[1] 2003 feststellt, gaben die baden-württembergischen Haushalte durchschnittlich je Monat 72 % ihrer ausgabefähigen Einnahmen[2] von 3 198 Euro für Konsumzwecke aus. Dazu gehören u.a. Wohnen, Energieausgaben sowie Freizeit oder auch Ausgaben für Verkehr und Telekommunikation.
Bemerkenswert ist , dass bei den Konsumausgaben gerade Haushalte mit einer Bezugsperson im Alter von 65 bis 70 Jahren vorne liegen. Knapp vier Fünftel (80 %) ihrer Einnahmen flossen in den Konsum (2 104 Euro). Dagegen gaben jüngere Haushalte im Alter von 35 bis 45 Jahren mit knapp 70 % den geringsten Anteil für ihren Konsum aus (2 435 Euro).
Dies bestätigt der dritte Altenbericht des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2001, der „eine insgesamt gute materielle Lage“ der Haushalte älterer Menschen feststellt.
Belegt wird dies auch durch eine Erhebung des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg aus dem Jahr 2004, die zeigt, dass Hilfe zum Lebensunterhalt (kurz HLU oder früher Sozialhilfe) immer weniger Menschen über 65 und älter gewährt wird. Dies ist zweifelsohne auch auf das seit 01.01.2003 in Kraft getretene Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) zurückzuführen, die als eigenständige soziale Leistung den grundlegenden Bedarf für den Lebensunterhalt sicherstellt und im Regelfall einen Antrag auf Sozialhilfe und damit v.a. die „Altersarmut“ vermeidet. Unter der Voraussetzung der Bedürftigkeit kann die Grundsicherung von Personen ab 65 Jahren sowie von 18- bis 64-Jährigen in Anspruch genommen werden, wenn diese voll erwerbsgemindert sind. Eine volle Erwerbsminderung ist dann gegeben, wenn die
Betroffenen auf Dauer nicht in der Lage sind, mindestens drei Stunden pro Tag einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Grundsicherung hat Vorrang vor der Sozialhilfe.


Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg

Auch der „Zweite Armuts- und Reichtumsbericht“ aus dem Jahr 2005 kommt zu diesem Ergebnis, denn er stellt fest, dass das Armutsrisiko älterer Menschen deutlich unterdurchschnittlich (11,4 %) ist und auch ihre Sozialhilfeabhängigkeit deutlich unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung liegt. Laut Definition ist ein Armutsrisiko dann vorhanden, wenn das Haushaltseinkommen unter 938 € liegt.
Ein wesentlicher Grund wird in der Eigentumsquote gesehen. In Westdeutschland lebt mehr als die Hälfte der älteren Menschen in den eigenen vier Wänden. Für Baden-Württemberg liegt diese Quote nach Angaben des Statistischen Landesamtes bei 49,3 %, bei Menschen über 60 Jahren bei 63 %. Gesicherte Daten über die Eigentumsquote in Dettingen gibt es nicht, es ist aber davon auszugehen, dass sie sich an der Landesquote orientiert.
Beobachtet wird allerdings, dass die relative Altersarmut für bestimmte Gruppen wieder ansteigt. Wie das Statistische Landesamt feststellt, sind unter den Männern und Frauen der älteren Generation, das heißt den 65-Jährigen und Älteren, besonders deutliche Einkommensunterschiede zu beobachten.  
Nach Ergebnissen des Mikrozensus 2004 haben die Frauen dieser Altersgruppe wesentlich häufiger ein knappes Individualeinkommen als ihre männlichen Altersgenossen.

So hatten rund 27 % der Frauen im Alter von 65 und mehr Jahren ein monatliches persönliches Nettoeinkommen von unter 500 Euro. Bei den gleichaltrigen Männern war dies nur bei knapp 4 % der Fall. Demgegenüber verfügten nahezu 38 % der Männer dieser Altersgruppe, jedoch nur 13 % der Frauen, über ein persönliches Einkommen von 1 500 Euro und mehr. Auch geht eine Scheidung oder der Tod des Ehemanns bei Frauen mit geringem persönlichen Einkommen oftmals mit deutlichen materiellen Einbußen einher.

Wohnsituation

Die Wohnsituation ist im Alter von besonderer Bedeutung, da sich der Aktionsradius mit zunehmendem Alter verkleinert. Angemessenes Wohnen, das die Aktivität und Selbstständigkeit fördert und nicht behindert, hat deshalb einen zunehmend hohen Stellenwert. Insbesondere gilt dies für Menschen, die ohne familiäres Netzwerk allein für ihre Zukunftsplanung zuständig sind. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg leben 97 % der älteren Menschen im eigenen Haushalt. Lediglich 3 % wohnen in sog. „Gemeinschaftsunterkünften“, zu denen Alten- und Pflegeheime gehören. Das Leben im Heim gewinnt erst im höheren Alter an Bedeutung. Selbst bei den 75-Jährigen und älteren sind es nur 6 %, die in einem Heim leben.

Die Quantität eines Wohnraums sagt allerdings noch nichts über die Qualität aus: Barrierefreiheit, eine gute Infrastruktur und „Netzwerke“ sind entscheidende Elemente für eine hohe Lebensqualität im Alter. Das Stichwort „Betreutes Wohnen“ spielt in diesem Zusammenhang daher eine große Rolle.

Gesundheitliche Situation

„Alt = Krank = Pflegebedürftig“. Angesichts dessen, dass die medizinische Versorgung heute immer besser wird und damit die Lebenserwartung im Umkehrschluss immer mehr steigt, geht diese Rechnung heute nicht mehr (immer) auf.

Demnach könnte ein neugeborener Junge des Jahrgangs 2004 eine durchschnittliche Lebenserwartung von 81,7 bis 84,9 Jahren erreichen. Für ein neugeborenes Mädchen des Jahrgangs 2004 ergibt sich eine Lebenserwartung von 87,8 bis zu 90,4 Jahren. Vor 135 Jahren konnten neugeborene Jungen des Geburtsjahrgangs 1871 lediglich mit 39,1 Jahren rechnen und Mädchen mit 42,1 Jahren. Die Lebenserwartung der Neugeborenen hat sich somit seitdem mehr als verdoppelt[3].

Auch für ältere Menschen hat sich die Lebenserwartung nach Angaben der Statistiker verbessert. Für einen 60-jährigen Mann stieg sie demnach von 19,5 auf 19,7 weitere Jahre. Eine gleichaltrige Frau kann mit 23,8 (bisher 23,7) weiteren Lebensjahren rechnen[4].

Dies bedeutet, das nach dem Eintritt in den Ruhestand ein sehr langer „Unruhestand“ folgt, auf den sich der Einzelne schon im Vorfeld vorbereiten sollte.

Jedoch hat die gesteigerte Lebenserwartung auch ihre Schattenseiten: als gesundheitliche Veränderung mit erheblichen Belastungen für das Umfeld erweisen sich zunehmend dementielle Erkrankungen, die bereits im frühen Alter auftreten, die Lebenserwartung aber nicht verkürzen und so u.U. zu einer sehr langen Leidenszeit führen. Laut der Bundesstatistik sind 1,5 % der Bevölkerung an Demenz erkrankt. In Dettingen waren 2000 81 Personen erkrankt, bereits 2010 waren es 105 Personen, was eine Steigerung um 30% bedeutet. Ebenso stellen die sog. „Altersdepressionen“ ein nicht zu unterschätzendes Problem dar.

Folglich ist eine pauschale Unterscheidung in Altersgruppen so nicht mehr möglich – vielmehr muss in das „dritte“ Lebensalter (in der Regel nicht mehr berufstätig, aber körperlich und geistig leistungsfähig) und das „vierte“ Lebensalter (körperliche Gebrechen, geistiger Verfall) unterschieden werden.

Soziale Netzwerke

Für die Lebensqualität im dritten und vierten Lebensalter ist, v.a. wenn es zu gesundheitlichen Einschränkungen kommt, von erheblicher Bedeutung, in guten sozialen Netzwerken aufgehoben zu sein. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bisherige traditionelle familiäre Netzwerke brüchig werden oder sich auflösen.
So ist es heute nicht mehr selbstverständlich, dass eine Tochter Mutter und Vater pflegt, da sie selbst berufstätig ist oder weit entfernt wohnt. Auf der anderen Seite setzt sich jedoch der Trend zur „Singularisierung“ durch. So hat sich die Scheidungsrate in den letzten 30 Jahren verdoppelt, und die Zahl kinderloser Frauen und Männer nimmt zu. Schätzungen gehen davon aus, dass ca. ein Drittel der heute 40-Jährigen kinderlos bleiben und somit im Bedarfsfall auf keine Angehörigen zurückgreifen können.
Vereinsamung, Depressionen, Verwahrlosung, insbesondere bei alleinstehenden Männern, können die Folge sein.

Selbst- und Fremdbild älterer Menschen

Das Defizit-Modell des Alters, das das Leben jenseits der Ruhestands-Grenze mit allmählichem Verfall gleichsetzt, hat seine Überzeugungskraft verloren. Die Mehrzahl der Männer und Frauen ist zumindest im dritten Lebensalter körperlich und geistig wesentlich leistungsfähiger als jede Alten-Generation in der Geschichte. Ihre Lebensperspektive bedingt nicht selten eine neue Aufbruchsstimmung, die unter anderem in ihrer Mobilität deutlich wird.
Für den Sozialwissenschaftler Baltes ist eine „Belle Epoque des dritten Lebensalters“ im Werden, die erst im Alter von über 80 Jahren eine Wende nimmt und vielfach in zunehmende Gebrechlichkeit, geistigen Abbau und Angst vor Abhängigkeit mündet. Bis dahin aber stehen für viele Menschen neue Türen offen, vorausgesetzt, sie können diese Lebensphase selbstbestimmt und mit lebhaften sozialen Bezügen leben. So altert die Gesellschaft zwar demografisch, gleichzeitig verjüngt sich aber die Mentalität der Älteren.
Bemerkenswert: unter „Altsein“ verstehen die „neuen Alten“: einsam, krank sein, (finanziell) abhängig und pflegebedürftig sein. Deshalb lehnen sie für sich selbst Begriffe wie „alters- oder seniorengerecht“ ab. Persönlich definieren sie sich als „frei (entpflichtet), mit Zeit und Geld ausgestattet, leistungsbewusst, kompetent und interessiert“. Anzumerken ist selbstverständlich, dass Lebenslage, Lebensstil und individuelle Biografie sehr differenziert zu betrachten sind.
 

 

[1] Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ist eine freiwillige Erhebung bei privaten Haushalten. Sie findet alle fünf Jahre statt. Die teilnehmenden Haushalte zeichnen ihre Einnahmen und Ausgaben pro Quartal auf. Die vorliegenden Ergebnisse umfassen die Aufzeichnungen der ersten beiden Quartale im Jahr 2003 (Halbjahresergebnisse).

[2] Die ausgabefähigen Einnahmen umfassen das Haushaltsnettoeinkommen zuzüglich Einnahmen aus dem Verkauf von Waren sowie weiterer Einnahmen.

[3] Statistisches Bundesamt, 2006

[4] ZDF heute, 2004